E-Bike im Motostyle

Unmittelbar nach dem Spezialized Turbo Levo Test (Modell 2019) hatte ich die Möglichkeit ein Spezialized Turbo Kenevo, Modell 2018, ausgiebig zu testen. Als Enduropilot hat mich dieses Bike seit dem Erscheinen im Herbst 2017 immer schon interessiert und fasziniert. Von den Daten und den Tests her war ich eher reserviert eingestellt. 24kg sind 2kg mehr als bei meinem Merida eOne Sixty und eigentlich hätte ich lieber ein leichteres E-Bike. Und 160mm sind eigentlich ausreichend; wozu brauche ich dann die 180mm, die das Kenevo bietet? Der Spezialized E-Freerider wirkt viel mächtiger – „Motostyle“ fällt mir unmittelbar ein. Aber ist das gut? Auch wenn ich vom Motocross komme, sollte sich ein Bike doch wie ein Bike anfühlen. Mit der Merida Geometrie war ich nach dem Umbau auf 29“ Vorderrad und schmälere Bereifung – 2,5 vorne, 2,6 hinten – eigentlich sehr zufrieden. Also wird es das Kenevo bei mir schwer haben. Doch es kam anders….

Rofa Test Kenevo in L versus eOne Sixty in M, hier mit 29″Vorderrad

Geometrie/Handling/Fahrwerk – Freeride versus Enduro

Command Post WU

Schon auf den ersten Metern fühlt man sich am Kenevo recht wohl; ins Bike integriert. Typisch Spezialized halt. Der nach hinten beim Einfahren wegkippende Sattel erleichtert das „Körperschwerpunkt nach hinten verlagern“ beim Downhill; das gefällt. Bei der ersten Abfahrt fällt die Sicherheit auf, die Fahrwerk und Geometrie vermitteln. Interessanterweise kombiniert mit einer Spritzigkeit, die man bei 24kg nie vermuten würde. Das Kenevo lässt sich super von Wurzeln abziehen und Wheelen. Von Trägheit ist nichts zu spüren! Da habe ich in Tests anders gelesen; große Überraschung! Grund für die Sicherheit beim Kenevo ist zunächst das um 1cm tiefere Tretlager als beim eOne Sixty. (Da die Kurbeln um 1 cm kürzer sind, gibt’s aber keine Probleme mit Aufsetzern.) Dann der flache 65° Steuerwinkel, und nicht zuletzt der Stahlfederstoßdämper. Aber warum fährt sich das Bike so spritzig? Einzig der etwas kürzere Reach würde dafür sprechen. Ich denke auch dass das Stahlfederbein „lebendiger“ arbeitet als das Luftfederbein beim Merida.

Öhlins TTX Coil

Überhaupt ist das Stahlfederbein in der Kategorie abfahrtslastiger E-Bikes ein echtes „must have“. Ansprechverhalten und Schluckfreundigkeit sind in einer eigenen Liga. Der Hinterbau beim Merida tut sich mit kleinen Schlägen beim Anbremsen schwer. Das Heck springt und es ist nicht leicht Traktion zu finden. Im direkten Vergleich zum Öhlins TTX Coil jedenfalls. Das man mit 180mm mehr stehen lassen kann als mit 160mm ist klar, trotzdem war ich bei Sprüngen ins Flache überrascht wie souverän das Spezialized die Landungen wegsteckt. Beide Gabeln  – RockShox Lyrik RCT3 und  Fox 36 Float Fit Grip2 funktionieren sehr gut. Vor allem die Fox gewinnt mit der Fit Grip2 Kartusche ungemein. Durch die winterlichen Streckenverhältnisse konnte ich allerdings nicht so ans Limit gehen.

Turbo Kenevo Laufradgrössen/Reifenbreite – hier gibt es viel zu testen

Das Kenevo kommt mit 27,5“ Rädern und 2,8 Spezialized Butcher Reifen. Die passen auch gut zum Motostyle des Kenevos. Wenn der Luftdruck stimmt, gibt es kaum Bouncing und kein schwammiges Gefühl in schnellen Kurven. Allerdings kommen die Reifen bei Nässe und weichem Boden nicht an einen Maxxis Minion oder Schwalbe Magic Marry ran; da hatte ich einige unbeabsichtigte Rutscher…. Ein 29“ Vorderrad habe aufs Erste nicht vermisst, damit habe ich nicht gerechnet! Einen Versuch wäre es aber Wert.

Spezialized Motor – mein Favorit

Unauffällig, leise, ausreichend stark – der von Spezialized adaptierte Brose Motor überzeugt. Vor allem das kaum hörbare Motorgeräusch gefällt im Vergleich zum Shimano Motor ungemein. Reichweite schätze ich ähnlich ein wie beim Merida. Vorteil diesbezüglich: Beim Kenevo man kann auch den Eco Mode per App runterregeln und so mehr Reichweite rausholen.

Sonstiges Auffälliges am Turbo Kenevo

 Was mir gefällt:

  • Schöne Optik Dank integriertem Akku
  • Flaschenhaltermontagemöglichkeit
  • Werkzeug unter dem Flaschenhalter und Kettennieter im Steuerrohr
  • WU Command Sattelstütze – wobei ein paar Zentimeter mehr Versenkbarkeit wären schon fein

 Weniger gut:

  • Akkuanzeige seitlich ist nicht ideal
  • Die 24kg, Gott sei Dank am meisten störend beim Tragen

Geometrie Kenevo size L / eOne Sixty size L

  • Tretlagerhöhe    350mm / 360mm
  • Kurbel                 165mm / 175mm
  • Reach                  455mm / 460mm
  • Radstand            1.233mm / 1.230mm
  • Kettstrebe          443mm / 440mm
  • Lenkwinkel         65°/ 66,5°

Fazit:

Damit habe ich nicht gerechnet. Die Spritzigkeit und die Leichtigkeit beim Wegziehen haben mich sehr überrascht. Und das in Verbindung mit einer Souveränität wie ich sie bei Mountainbikes noch nie erlebt habe. Damit ist das Spezialized Turbo Kenevo für E-Bike Freerider ein echtes Traumbike. Die 2kg Mehrgewicht sind für mich kein Kaufhinderungsgrund mehr. Motostyle – I like it!